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DARF ICH VORSTELLEN...? MEINE STUDIEN IN LOS TRAMOJOS.

Saludos!

Heute ist ein so schöner Tag: Ich habe “frei”, es ist sonnig, was nichts Ungewöhnliches ist, ungewöhnlich ist aber die Ruhe, die draußen herrscht.
Diese Nacht war die letzte der “Patronales” - ein Fest zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria. Nach dem Brauch wird dann durchgefeiert. Jetzt sind wohl alle müde und schlafen. Hatte mich mit Ohrstöpseln kaum retten können (bedenkt, dass die Fenster keine Glasscheiben haben). Durfte mir also 5 verschiedene Songs gleichzeitig anhören bis ich todmüde einfach abgeschaltet habe. Wenigstens war es alles in einem Stil - selbstverständlich Merenge.
Hoffe, Ihr werdet es mir nicht verübeln, dass ich heute früh am Morgen ganz nachtragend am liebsten einige große Boxen mit Musik auf unserer Terrasse aufgestellt hätte …war nur so ein Gedanke ;). Dafür sind solche Stunden der Ruhe auch zu wertvoll.
Jedenfalls war ich relativ früh wach, saß dann ganz gemütlich draußen im Sonnenschein auf der Terrasse, Füße hoch, “meine” Musik spielte ganz unaufdringlich und den Umständen entsprechend habe ich mich dann einwenig selbst beneidet ;).

Soviel zu dem heutigen Start in den Tag.

Mein Einsatz in der Dominikanischen Republik hat seine Halbzeit erreicht.
Läuft die Zeit schnell oder langsam? Ich kann es nicht wirklich beantworten. Einerseits sind “schon” 5 ganze Monate vorbei, die Zeit rast. Andererseits, wenn man bedenkt, wie viel ich erlebt habe, wie viel Neues ich erfahren habe, wie sehr ich mich auch durch die neuen Erfahrungen und Umstände verändert habe und wie schmerzhaft ich manchmal meine Familie und Freunde vermisse … dann erscheinen diese 5 Monate unendlich lang.

Jedenfalls hat mich das Leben hier aufgenommen und ich befolge seine Bahn so gut ich kann. Aufgegeben hätte ich bis jetzt nie, doch es gab viele Momente, in denen ich an meine Grenzen stieß.
Die Hochs und Tiefs, die ich immer wieder durchlaufe sind manchmal ganz schön anstrengend. Es gibt Tage, an denen ertrage ich dieses Land mit allem, was es bietet nicht mehr, und es gibt Tage, an denen weiß ich, dass mir alles hier unendlich fehlen wird und ich die Erfahrung, hier zu sein, durch nichts eintauschen will. Zweiteres ist natürlich öfter der Fall. Und nach einem Tag im Dienst sind alle Sorgen und Schwierigkeiten sowieso vergessen. Denn das ist, weshalb ich hier bin und das will ich erfolgreich zu Ende führen.

Da ich schon im Allgemeinen über den Dienst und darüber wie die Menschen auf die Wahrheit reagieren, geschrieben hatte, will ich Euch heute gerne einwenig mit meinen Studien in Los Tramojos bekanntmachen. Von einigen hattet Ihr schon aus früheren Berichten gehört.

YENNI. Mein erstes Studium jeden Mittwochmorgen ist seit neuestem Yenni. Sie ist 19, verheiratet, noch unüblicherweise keine Kinder. Bisher haben wir mit ihr erst das erste Kapitel beendet. Sie wohnt am Ende von Los Tramojos und zwar in einer Straße, die wir im Dienst noch kaum beschritten haben. Sie war es, die mich auf dem Weg zu einem Studium angesprochen hatte. “Ich bin Yenni und lebe am Ende des Dorfes. Zu mir ist noch nie jemand gekommen. Bitte kommt vorbei, ich will so gerne ein Studium.” Das waren fast wortwörtlich (natürlich in Spanisch) ihre Worte. Sobald sich eine Möglichkeit ergab, hatte ich mich bis zu ihrem Haus durchgefragt. Sie war so happy. Und nachdem wir das erste Studium beendet hatten, hat sie uns mit den Worten, dass die Türen ihres Hauses immer für uns offen sind, wieder gehen lassen. Beim zweiten Besuch, hatte sie mir mitten im Studium angekündigt, sie habe mir danach etw. zu sagen. Ich war sehr gespannt. Es kam eine Dankesrede für die Zeit, sowie die Bücher und Zeitschriften. Ich soll sie außerhalb des Dienstes mal besuchen, sie will mir die Haare machen ;) - neben Nägeln Hobby jeder dominikanischen Frau unabhängig vom Alter und Sozialschicht.
Manchmal finde ich es so schade, dass ich nicht mehr Zeit mit diesen Menschen verbringen kann, um sie besser kennenzulernen. Obwohl ich mir jetzt, wenn ich ihre Sprache endlich verstehe, immer wenigstens einige Minuten Zeit für ein Gespräch nach dem Studium nehme.

ROSALIN. Es geht weiter zu Rosalin. Dieses Mädchen ist erst 15. Sie ist die Tochter von Santa, mit der ich ebenfalls studiere. Könnt Ihr Euch aus einem früheren Bericht an die Frau erinnern, die uns zu sich nach Hause gerufen und mit einer “kleinen” Portion Reis versorgt hatte? In dem Moment war auch die Tochter, Rosalin, von der Schule gekommen und am selben Tag war sie dann beim Studium mit ihrer Freundin, Mirianni, dabei. Sie hatte letztes Jahr ihren Vater verloren. Da sie die älteste von drei Kindern ist und ihre Mutter nun alleinerziehend ist, hat die Kleine jede Menge Verantwortung zu tragen. Jedes Mal, wenn ich komme, ist sie entweder am Putzen, Waschen oder Kochen.. Oft dann, wenn sie eigentlich in der Schule sein sollte. Jedenfalls ist es eine ganz vorbildliche Studierende. Immer vorbereitet, versteht die Zusammenhänge sehr schnell und das Schönste ist, dass ihr, alles was sie lernt, sehr nahe geht. Bereits zweimal hatte sie schon den Versuch gestartet zur Versammlung zu kommen. Ihr könnt Euch vorstellen, wie schwer es ist aus Los Tramojos aus, wenn keine Busse o.Ä. fahren. Eine Mitfahrgelegenheit zu finden ist gar nicht so einfach und dann endet die Versammlung immer so spät. Hatte ihr angeboten, falls es einmal klappen sollte, bei mir über Nacht zu bleiben. Vielleicht schaffen sie es zusammen mit Mirianni eines Tages.

YENNI. Als nächstes bin ich bei Yenni. Sie ist 18, ist seit 5 Jahren verheiratet und hat einen 2 Jahre alten Sohn. Sobald ich zum Studium komme und wir uns hinsetzen, trägt der Kleine immer seinen kleinen Plastikstuhl, setzt sich zu uns und hört zu. Seit Neuestem hat er sein eigenes Buch - “Mein Buch mit biblischen Geschichten”, das er sehr aufmerksam studiert. Yenni selbst ist für ihr Alter sehr reif und selbstständig. Einige müssen sich sehr wundern, wenn man liest, dass sie mit 13 heiraten “musste”. Ich war auch sehr verwundert, wonach sie mir einiges über sich und ihre Geschichte erzählt hatte. Irgendwie ist es traurig, aber ich kann sie sehr gut verstehen. Oft ist eine Heirat für Mädchen wie sie eine Erleichterung ihrer Umstände, nicht umgekehrt, wie man annehmen müsste. Aber daran tragen oft die Eltern und die Gesellschaft mit ihren ungeschriebenen Regeln die Schuld. Ihr Mann ist 11 Jahre älter. Ich habe ihn noch nie getroffen, weil er weit weg arbeitet und nur für kurze Zeit nach Hause kommt, aber Yenni sagt, dass er alle Zeitschriften ließt und diesmal auch ihr Studienbuch mitgenommen hat, als er für die nächsten 2 Monate von zu Hause wegging.

JOANNA. Joanna lebt gleich in der Nachbarschaft. Sie ist 17 und hat 2 Kinder, das ältere Mädchen ist 3 Jahre alt. Ihre Mutter und Schwester sind taubstumm, sie selbst hatte nicht die Möglichkeit die Schule zu besuchen und kann deswegen auch weder lesen noch schreiben. Mit ihr hatte ich die Broschüre “Für immer auf der Erde leben” angefangen, sie behandelt jedes Thema mit Hilfe von Bildern. Ich lese ihr die kurzen Kommentare vor, wir besprechen es zusammen, lesen Bibelstellen. Sie ist sehr intelligent. Macht die Wiederholung des letzten Studiums besser als manche Lesenden. Sie hat so ein Interesse an der Wahrheit und der Bibel, ist aber sehr traurig darüber, dass sie es nicht selbst lesen kann. Einmal hat sie mir gezeigt, dass sie versucht die Sätze aus der Broschüre zu kopieren, in der Hoffnung, sich auf diese Weise das Schreiben beizubringen. Mich hatte es so gerührt. Darauf hatte ich mir aus Bethel die Broschüre zum Lesen- &Schreibenlehren mitbringen lassen und hatte ihr diesen Mittwoch die erste Unterrichtsstunde gegeben. Sie war so glücklich, als sie am Ende 4 Buchstaben kannte. Wenn Jehova es segnet, wird sie es schaffen. Ich hoffe nur, ich habe genug Zeit.

LUDANESSA. Nach der Mittagspause von ca. 1 Stunde mache ich mit Ludanessa weiter. Sie ist 21 und lebt mit ihrem Mann und Baby in einer kleinen pinken Hütte. Sie ist jemand, der gerne Fragen stellt und nachhackt, ob sie alles richtig verstanden hätte. Und einmal hat sie mir ihre Sorge mitgeteilt: “Wir gehen so schnell mit dem Buch vorwärts. Was passiert, wenn wir es beenden? Kommst du dann nicht mehr?” Zu diesem Zeitpunkt waren wir bei Kapitel 1! :) Noch weiß sie nicht, dass wir das Buch wohl gar nicht schaffen werden zusammen. Ich bete, dass jemand die Studien übernehmen kann, wenn ich gehe. Meistens ist es nicht der Fall, weil jeder froh ist, wenn er für seine eigenen Studien genug Zeit aufbringen kann und so passiert schon mal, dass man im Dienst auf jemanden trifft, der sagt, man hätte mit ihm studiert und wäre dann wieder gefahren, womit das Studium beendet war.
Am liebsten würde ich sie alle mitnehmen.

MIRIANNI. Mirianni, die ich noch zum langsamen Abschluss des Tages vor Santa mache, ist meine fleißigste und gescheiteste Schülerin. Das Mädchen ist 13 und ist diejenige, die damals zu einem anderen Studium mit ihrer eigenen Bibel gekommen ist und nach einem persönlichen Studium gefragt hatte. Die Antworten kommen nur so geschossen, sie will immer zusätzliche Hausaufgaben haben. Vor kurzem hatte sie mich auf die Weihnachtstage angesprochen. Da zeigte ich ihr das Kapitel zu den Festtagen im Lehrbuch, den Anhang dazu und einige Artikel, die man in den laufenden Zeitschriften zu dem Thema findet. Sie hatte alles durchstudiert und noch mehr- alles zu Ostern, Geburtstag, etc. Dann zeigte sie mir Fotos von sich und bei einem Foto, das ihre Geburtstagfeier zeigt, meinte sie: “Das war, als ich NOCH Geburtstag gefeiert habe!”
Ist es nicht ein Traumstudium? :) Und als ich ihr zeigen wollte, bis zu welchem Absatz sie sich für das nächste mal vorbereiten soll, musste ich feststellen, dass sie bereits 2 Kapitel im Voraus vorbereitet war. Langsam weiß ich gar nicht mehr, womit ich sie noch fördern soll. So habe ich ihr gestern aufgetragen, sich mit der Danielprophezeiung - die “siebzig Wochen”- auseinanderzusetzen. Ich bin mir sicher, sie wird es mir besser erklären, als ich ihr jemals könnte.

Von Santa habt Ihr schon gehört. Das ist das letzte Studium.

Danach geht es langsam Richtung zu Hause. Sobald wir die “Highway” (eine asphaltierte Straße im Gegenteil zu dem vorher wilden, kaputten Weg) erreichen, stimmen alle ein in Lauras “We thank you, Jehovah (for this wonderful way)..” [Hab dank, Herr Jehova, für diese wundervolle Straße] und wieder ist ein unglaublicher “Jahrbuchtag” in Los Tramojos vorbei. Zusammen hatten wir etwa 50 Studien durchgeführt. Wir sind zu sechst und immer noch viel zu wenige, um das Gebiet und die Nachfrage nach Bibelstudien zu decken.

Hättet Ihr nicht Lust zu helfen? Es passen noch min. 2 ins Auto. :)

 

Bis zum nächsten Mal.

Eure Katharina