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Ein unglaublicher Tag

Hola queridos,


ich hatte schon geschrieben, dass sich jeden Mittwoch eine Gruppe in das abgelegene Gebiet in den Bergen aufmacht. Der letzte Mittwoch war voller Erlebnisse für mich:

San Jose de Ocoa, Dienstzusammenkunft ca. 9 Uhr morgens. 

Das ist, wo und wann unsere Tour startet. Wir sind dieses mal acht Brüder und Schwestern und müssen uns in einen verhältnismäßig kleinen Wagen von dem kanadischen Paar quetschen. Zwei Brüder haben sich freiwillig für den Kofferraum gemeldet, ich und 3 andere Schwestern sitzen hinten. Ich habe den Platz auf dem Boden. (Wäre da nicht ein Hebel an der Autotür, wäre es bestimmt sogar gemütlich gewesen). Wir sind ausgerüstet mit einer Menge Literatur, Wasser und Lunchpaketen. Voll motiviert machen wir uns auf den Weg in die Berge. Die Fahrt dauert ca. 1,5 Stunden. Es ist schwer zu beschreiben, welche Landschaftsbilder sich uns hier eröffnen. Besonders wenn die asphaltierte Straße ungefähr nach 15 km endet und wir unseren Weg dann auf felsigen, teils vom Regen weggeschwemmten Pfaden fortsetzen. An Berghängen entlang hat man eine wunderschöne Aussicht auf Täler, die von Wäldern gesäumten Bergen eingeschlossen werden, riesige, von roten Blüten geschmückte Bäume, Kakteen, natürlich auch Palmen, um die sich Efeu und anderes Gewächs wendet und die aus dem Rest des Waldes in den Himmel herausragen. Unglaublich ist auch, wenn in diesem scheinbar verlassenem Stück Erde auf einmal eine Hütte steht und nebenan das Feld mit einem Pflug bestellt wird, das zwei Ochsen ziehen. Sieht ungefähr so aus, wie das Bild aus "Mein Buch mit biblischen Geschichten", ziemlich vorne, wo Adam ein Feld bebaut. Nur, dass es hier ein Regenwald umgibt und die Menschen zum Glück keine Felle tragen. :)
Manche sind sogar ziemlich "modern". So ist eines der Felder mit einer automatischen Bewässerungsanlage ausgestattet und in einem Dorf hat jede der 20 Hütten eine Solaranlage auf dem Dach (es ist die einzige Chance Elektrizität zu bekommen, denn Kabeln wurden bis hierhin noch nicht verlegt).
Uns fällt auf, dass die Häuser hier anders aussehen als in Ocoa. Es sind überwiegend Holzhütten mit einem Dach aus Blech, manchmal sogar aus Palmenzweigen. Diese aber auch in den unterschiedlichsten Farben. Es gibt wohl kein fließendes Wasser in den Häusern, nur Gemeinschaftswasserpumpen draußen. Dementsprechend sind die Toiletten auch ein Abendteuer für sich. Aber wer in Kasachstan - oder in einem der Nachbarländer - in einem Dorf gelebt hat, weiß, wovon ich spreche. ;)
Wir machen eine kurze Pause, damit wir uns strecken können und die eingeschlafenen Glieder wieder zum Leben kommen und sprechen bei dem Colmado neben uns mit dem Verkäufer über die Wahrheit. Kurze Zeit später geht die Fahrt weiter und wie froh wir sind, als  endlich in Los Tramojos ankommen. Die Gruppe teilt sich und jeder macht sich auf zu seinen Studien und Rückbesuchen. Das Dorf ist nicht mehr als eine längere Straße und wir verabreden uns auf ein Treffen zum Mittagessen am Colmado (übrigens ist ein Colmado eine Art Geschäft, wo man frisches Gemüse und Obst sowie Konserven und Nahrungsmittel, wie Reis und Bohnen, aber auch Erfrischungsgetränke und Süßigkeiten kaufen kann).
Meine Partnerin ist Natascha, eine Schwester aus Österreich, und mein erstes Studium erwartet uns schon. Danya - sie ist um die dreißig und hat sechs Kinder. Es ist das Studium, das ich von einer Schwester übernommen habe, die wieder abgereist ist. Daher ist sie schon ziemlich am Ende des Buches und die Antworten kommen nur so geschossen, mein Spanisch wird hier daher nicht sehr beansprucht. Ein Glück, denn was mich gleich erwartet, wird es mehr als genug abverlangen. Da wir vormittags keine Studien mehr haben, wollen wir von Haus zu Haus weitermachen. Nur fällt uns auf, dass fast keiner zu Hause ist, dafür aber eine größere Gruppe von Menschen im Schatten unter einem Baum zusammensitzt. Wir gehen vorbei, ganz unsicher, ob wir jemanden ansprechen sollen. Aber wie, vor allem wen? Alle sitzen zusammen und unterhalten sich. Wir müssen jemandem aufgefallen sein, denn plötzlich erheben sich zwei, machen uns einen Sitzplatz frei und rufen uns zu sich. Ich merke, wie mir vor Aufregung die Knie ganz weich werden, denn ich bin an der Reihe zum Vorsprechen. Daher habe ich auch nicht bemerkt, wie viele es waren und wer alles da war - Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder, die auf einmal ganz still sind und uns zuhören. Habe dann angefangen von Jehovas Vorsatz für die Erde zu sprechen und was für Änderungen wir erwarten können. Habe einige Bibeltexte gelesen und das Traktat "Wahrheit" angeboten, dazu erklärt, dass die Bibel uns wichtige Fragen beantwortet. Normalerweise hätte ich an dieser Stelle ein Bibelstudium angeboten, aber wem nun? Ehrlich gesagt war mir schon bisschen schwindelig geworden von der Maße der Augen, die mich anguckten. Manche haben was gesagt, meine Fragen beantwortet, ich weiß nichts mehr, auch nicht was ich gesagt habe und wie alles geendet hat. Als wir dann aber wieder außerhalb der Sichtweite sind, legt mir Natascha die Hand auf die Schulter und sagt: "Das hast du sehr gut gemacht ... es ist der Wahnsinn - es waren 13 Leute!" Ich habe mich von dem kleinen Schock nur langsam erholt, wir haben gerade mit einer Lehrerin ein weiteres Bibelstudium eingerichtet und machen uns jetzt Notizen bevor wir zum Colmado aufbrechen wollen. Denn es ist schon Mittagszeit. Wie schnell die Zeit verflogen ist!
Auf einmal hören wir, dass uns aus dem Haus nebenan jemand ruft und zu sich winkt. Die Zeit ist zwar schon knapp, aber wir wollen ihr die neuen Zeitschriften anbieten, Tiziano Ferro "Sere nere" ertönt ganz laut aus ihrem Haus, während wir daran vorbeigehen und die Küche (eine Feuerstelle unter Palmendach) betreten. Sie will, dass wir uns setzen und stellt sich uns vor. Sie fragt, ob wir Zeugen Jehovas sind und so haben wir den Anschluss. Bei dem Gespräch über Familie (wir haben die Oktober-Sonderausgabe angeboten) erzählt sie uns, dass sie vor 6 Monaten ihren Mann wegen einem Tumor verloren hat und wir können über die Auferstehungshoffnung sprechen. Sie will gerne, dass wir nächste Woche wiederkommen und ihr mehr erzählen. Wir wollen uns gerade verabschieden, als sie mir eine RIESIGE Portion Reis mit Bohnen in die Hand drückt. Sie will, dass wir es "probieren". Für ein "Nein, Danke" ist es schon zu spät, also rufen ich und Natascha gleichzeitig: Es reicht für uns beide!, aber dazu lässt sie sich nicht überreden und Natascha bekommt eine entsprechende Portion, dazu noch Sauce und Salat. Wir sind so voll!!! und fürchten, dass wir den Hügel hoch zum Colmado nicht mehr schaffen. Aber geschmeckt hat es einmalig! In der Zwischenzeit kommt die Tochter von der Schule zurück. Ich mache sie auf den Artikel für junge Leute aufmerksam und unterhalte mich mit ihr darüber, dass wir unsere Freunde von der Schule oft besser kennen als die eigenen Eltern. Sie fängt direkt an zu lesen und findet es sehr interessant. Dann fragt sie, ob ich diejenige bin, die mit ihrer Schulfreundin die Bibel studiert und es stellt sich raus, dass es tatsächlich das Mädchen ist, dass letztes mal mit ihrer eigenen Bibel zu einem Studium von mir mit der Colmadoinhaberin gekommen ist und nach einem eigenen Studium gefragt hat, was wir direkt im Anschluss angefangen haben. Ich lade sie ein, heute zu dem Studium mit ihrer Freundin zu kommen, was sie nachher auch tatsächlich macht. Bevor wir uns endlich auf den Weg machen, will Santa (die Mutter) nochmal versichert haben, dass wir nächste Woche kommen. "Natürlich!" - "Dann mache ich Euch ein Hühnchen!" ..ok, ..das heißt, Lunchpaket zu Hause lassen. ;)
So verläuft unser Vormittag. Unsere ganzen Eindrücke teilen wir dann mit den anderen während der Pause und freuen uns über all das, was sie zu berichten haben.
Am Nachmittag habe ich 4 Studien. Eines davon ist Ludanessa, eine junge Frau. Wir treffen sie an, als sie gerade zwischen den Bäumen vor ihrem Haus liegt. Sie ist ganz krank- Erkältung (haben viele hier zur Zeit..ist ja auch furchtbar kalt^^), will aber das Studium nicht auslassen, also studieren wir einige Absätze mit ihr. Es stellt sich raus, dass auch ihr kleiner fünfjähriger Sohn krank ist - an Denguefieber und ist in der Hauptstadt im Krankenhaus. Hoffen wir nur, dass alles gut wird. Denn jeder zweite, der daran erkrankt, stirbt. Oft auch deswegen, weil es von den Ärzten nicht erkannt und falsch behandelt wurde.
Auf unserem Weg nach Hause, passieren wir eine Schule. Der Unterricht ist wohl gerade vorbei und die Schüler in ihren blau-braunen Uniformen, die Mädchen mit vielen süßen Zöpfchen auf dem Kopf, strömen raus. Wir halten an, weil ein Junge dabei ist, mit dem Laura in Gebärdensprache studiert. Wir begrüßen ihn und er gibt jedem von uns die Hand, vorauf die ganze Kinderscharr auf uns zuläuft und uns nach seinem Beispiel ihre Hände zum Schütteln ins Auto reicht. Erst nachdem wir min. 100 Kindern die Hand gegeben haben, können wir weiterfahren. Es war wirklich süß!
Noch einmal kurz in El Pinar halten und die köstlichen Hähnchen und frittierten Platanas von der "Hähnchenbude" eines Bruders kaufen und um ca. 7 Uhr abends sind wir dann zurück in Ocoa.
Was für ein Tag! Zusammen haben wir heute 17 Bibelstudien durchgeführt! Habt Ihr auch das Gefühl, man ließt das Jahrbuch? Das habe ich jedenfalls jedesmal, wenn ich nach dem Dienst nach Hause zurückkehre. Und dieses mal ganz besonders.
Ich wünschte, ich könnte noch besser das mit Euch teilen, was ich hier erlebe. Es ist, als ob es nicht genug Worte gibt, um zu beschreiben, wie schön es ist. Es ist einfach unglaublich!

Ich wünsche Euch alles Gute und schicke ein wenig Sonnenschein mit. Das teile ich gerne! :)
Trotz allem vermisse ich mein Zuhause sehr!

Eure Katharina